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Kennen Sie Ihren Chromosomensatz?

Im Juli 2022 wurde die interessante Studie (Zhao et al.)

„Detection and characterization of male sex chromosome abnormalities in the UK Biobank study“

veröffentlicht, welche leider kaum Aufmerksamkeit bekam, obwohl sie in den aktuellen Trans- und Geschlechterdiskursen eine wichtige Erkenntnis brachte:

Es gibt deutlich mehr Menschen, welchen bei der Geburt das männliche Geschlecht zugewiesen wurde, sie aber nicht dem Karyotyp 46,XY entsprechen. Das Interessante daran ist, dass die „Männer“ nicht wussten, dass sie z.B. zwei X- und kein Y-Chromosom oder sogar ein X- oder Y-Chromosom „zu viel“ haben und gem. „Biologie“ oder medizinischer Definition somit eine „Störung der Geschlechtsentwicklung“ (Disorder of sex Development, DSD) vorliegt und diese Personen somit als intergeschlechtlich eingestuft werden.

Störungen der Geschlechtsentwicklung (DSD) wurden auf dem Chicago Consensus Meeting im Jahr 2005 als „angeborene Zustände, bei denen die Entwicklung des chromosomalen, gonadalen und anatomischen Geschlechts atypisch ist“ definiert, was dann 2006 als Konsenserklärung veröffentlicht wurde (Lee, Houk und Hughes 2006; Houk et al. 2006 ).

Zhao et al. haben festgestellt, dass von den 207.067 Datensätzen europäischer Männer 213 den Karyotyp 47,XXY (Klinefelter Syndrom) haben und nur 49 eine entsprechende Diagnose hatten. Nur einer von 143 hatte eine Diagnose für Karyotyp 47, XYY.
Unter den Daten fanden sich auch vier Personen mit dem Karyotyp 46, XX, die also gem. biologischer Definition genetisch weiblich sind.

Abweichungen vom Karyotyp 46, XY (männlich)

Würde man diese Menschen nach den Regeln der Biologie und/oder Medizin betrachten, so sind sie keine Männer, sondern würden unter die Diagnose „Disorder of Sex Development“ fallen und könnten nach aktuellem Deutschen Personenstandsrecht (§45b PStG) ihren Geschlechtseintrag von „männlich“ in „divers“ oder „weiblich“ ändern.

Auf der nachfolgenden Grafik sieht man die Verteilung der Karyotypen nach 46,XY, 47,XYY, 47,XXY und 48,XXYY.

Zhao et al. 2022
Quelle: Zhao et al. 2022, https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1098360022007778

Die Studie macht deutlich, Geschlecht ist komplex und keinesfalls mit XY = männlich und XX = weiblich ausreichend beschrieben.


Lee P.A., Houk C.P., Ahmed S.F., Hughes I.A. 2006. Consensus Statement on Management of Intersex Disorders: In collaboration with the participants in the International Consensus Conference on Intersex organized by the Lawson Wilkins Pediatric Endocrine Society and the European Society for Paediatric Endocrinology. Pediatrics. 2006;118:e488–e500. doi: 10.1542/peds.2006-0738. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/16882788/

Houk C.P., Hughes I.A., Ahmed S.F., Lee P.A. Summary of Consensus Statement on Intersex Disorders and Their Management: Writing Committee for the International Intersex Consensus Conference Participants. Pediatrics. 2006;118:753–757. doi: 10.1542/peds.2006-0737. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/16882833/